Eine neue Initiative für eine gerechtere Bewertung unterschiedlicher Typen von Remis hat kürzlich der namhafte slowenische Physiker Venceslav Rutar gestartet. Am 2. und 3. September trugen die FIDE-GMs Sam Shankland und Surya Ganguly ein Match über 8 Schnellpartien mit einem Wertungssystem aus, das auch (und ganz besonders) für das Fernschach interessant ist. Rutars Grundidee ist, dem Spieler, der bei einem Remis über einen Materialvorteil verfügt (das nennt der „favoured draw“) mehr Punkte zu geben als seinem Gegner.
Gewertet wird:
Sieg = 5 Punkte
Remis mit Materialvorteil = 3 Punkte
Remis bei Materialgleichstand = 2 Punkte
Remis mit Materialnachteil = 1 Punkt
Niederlage = 0 Punkte
Über dieses erste Match, das Ganguly gewann, und über den gesamten Hintergrund gab es ausführliche Berichte bei ChessBase (leider nur auf Englisch):
https://en.chessbase.com/post/ganguly-shankland-match-2024-preview
https://en.chessbase.com/post/ganguly-shankland-match-2024-final-report
Angesichts der knappen Bedenkzeit von 15 Minuten (pro Partie) + 5 Sekunden (pro Zug) war die Fehlerquote relativ hoch und die Tagesform entscheidend, so dass es nur 3 Remis (bei Materialgleichstand) gab. Ganguly (Rapid-Elo 2585) gewann 4 Partien, Shankland (Rapid Elo 2618) nur eine. Dennoch meinten beide Spieler, dass das Werungssystem sie sehr beeinflusst hatte und sie es sehr interessant fanden, offen für weitere Experimente, die tatsächlich auch schon in Vorebreitung sind.
Ich stehe mit Venceslav Rutar seither im Email-Austausch und habe ihm (sowie einigen FIDE-GMs) die große Bedeutung seines Ansatzes für das Fernschach erläutert, wobei ich persönlich auch einige Modifikationen zumindest fürs Fernschach vorschlage, denen er weitgehend offen gegenüber steht, zumal es zunächst darum geht, Erfahrungen zu sammeln und Dinge auszuprobieren.
Meine Modifikationen zielen darauf ab, dass der Materialwert für Eröffnung und Mittelspiel keine zu große Rolle spielen soll und daher hauptsächlich im Endspiel (quasi als eine Art 'Tiebreaker') zur Geltung kommen soll, wenn das Spiel sozusagen ausgereizt ist.
Daher sollte gelten:
1. Patt wird immer 3 : 1 oder 1 : 3 (als Pattsieg oder Pattniederlage) gewertet
2. Ewiges Schach zählt immer 2 : 2.
3. Remis vor dem 40. Zug durch Vereinbarung oder dreimalige Stellungswiederholung zählt 2 : 2.
(Natürlich wirkt der Materialaspekt in gewissem Maße trotzdem auf Eröffnung und Mittelsüiel ein, aber etwas gedämpft.)
Ich stelle das zur Diskussion und hoffe, dass es sehr bald im Rahmen von BdF und ICCF zu Testläufen kommt, natürlich ungewertet und womöglich mit reduzierter Bedenkzeit, um schnell Erfahrungen zu sammeln.
Meines Erachtens kann das (modifizierte) Rutar-Wertungssystem neue Anreize im Fernschach schaffen und die gegenwärtige Lähmung durch zu viele Turniere, die in toten Rennen enden, aufheben.
Viele Grüße
Arno Nickel
p.s. Auf diesen Beitrag wird von mir auch an anderer Stelle (Thema: Mitgliederversammung am 9.11.) hingewiesen.
Vorschlag für ein neues Wertungssystem
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Re: Vorschlag für ein neues Wertungssystem
Ich sehe dieses kuenstliche Trennen von Remis-Partien kritisch.
Damit wird ein kuenstlicher Unterschied zum normalen Schach gemacht.
Ein Randbauer fuehrt zum Remis lernt man sehr frueh.
Mit der Neuregelung waere dies ein 3:1. Das ist fuer mich kein Schach.
Wuerden die Tablebases ueberhaupt noch gehen??
Derzeit erspart man sich ggf. das Ausspielen von Stellungen mit hoechstens 7 Spielsteinen.
Kuenftig muesste auch Turm gegen Turm und Bauer munter ausgespielt werden.
Der mit dem Mehrbauern kann nicht spielerisch gewinnen, aber warum soll der mit Minusbauer in ein 1:3 einwilligen?
Die Partien dauern noch laenger und Dead Man-Verteidigung wird noch oefter vorkommen...
Gruss,
Norbert Lukas (SIM)
Damit wird ein kuenstlicher Unterschied zum normalen Schach gemacht.
Ein Randbauer fuehrt zum Remis lernt man sehr frueh.
Mit der Neuregelung waere dies ein 3:1. Das ist fuer mich kein Schach.
Wuerden die Tablebases ueberhaupt noch gehen??
Derzeit erspart man sich ggf. das Ausspielen von Stellungen mit hoechstens 7 Spielsteinen.
Kuenftig muesste auch Turm gegen Turm und Bauer munter ausgespielt werden.
Der mit dem Mehrbauern kann nicht spielerisch gewinnen, aber warum soll der mit Minusbauer in ein 1:3 einwilligen?
Die Partien dauern noch laenger und Dead Man-Verteidigung wird noch oefter vorkommen...
Gruss,
Norbert Lukas (SIM)
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Re: Vorschlag für ein neues Wertungssystem
Norbert_Lukas hat geschrieben:Ich sehe dieses kuenstliche Trennen von Remis-Partien kritisch.
Damit wird ein kuenstlicher Unterschied zum normalen Schach gemacht.
Ein Randbauer fuehrt zum Remis lernt man sehr frueh.
Mit der Neuregelung waere dies ein 3:1. Das ist fuer mich kein Schach.
Wuerden die Tablebases ueberhaupt noch gehen??
Derzeit erspart man sich ggf. das Ausspielen von Stellungen mit hoechstens 7 Spielsteinen.
Kuenftig muesste auch Turm gegen Turm und Bauer munter ausgespielt werden.
Der mit dem Mehrbauern kann nicht spielerisch gewinnen, aber warum soll der mit Minusbauer in ein 1:3 einwilligen?
Die Partien dauern noch laenger und Dead Man-Verteidigung wird noch oefter vorkommen...
Gruss,
Norbert Lukas (SIM)
Sehe ich alles genau so.
Patt-Situationen sind ja im Fernschach sehr selten (von mehr als 1000 Partien seit 2000 kann ich mich nur an eine erinnern), aber an die ich mich erinnern kann, hatte es in sich. Ich hatte mit einem Damenopfer das Patt erzwungen. Hätte ich die Dame nicht geopfert, hätte ich verloren, hätte mein Gegner das Damenopfer nicht angenommen, hätte er verloren. Wer ist in so einem Fall "Pattsieger" oder "Pattverlierer"??
Man sollte vielleicht auch einmal an die Turnierleiter denken. Sie müssten sich ja alle anfallenden Turnierpartien, die Remis ausgehen, ansehen und bewerten. Und das bei aktuell 80-100% Remispartien pro Turnier. Gegen ihre Entscheidungen kann dann ja auch noch Protest eingelegt werden...
Viele Grüße
Hannes Rolle
Hannes Rolle
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Re: Vorschlag für ein neues Wertungssystem
Bei Pattwendungen ist oft der materiell Schlechtere der Kreative in der Partie!
Sollen Gambits noch weniger gespielt werden?
Bauern fuer Initative schwer genug im Fernschach.
Dann ggf. selbst stabile Gleichgewichte unspielbar, da ein 1:3 droht...
Ausserdem: was ist ueberhaupt Materialvorteil?
Springer und Laeufer gleich viel wert?
Wenn nicht, dann auch Turm plus Bauer weniger als Springer plus Laeufer?
Zwei Tuerme tatsaechlich mehr wert als eine Dame (da kein Bauer zusaetzlich)?
Gruss,
Norbert Lukas
Sollen Gambits noch weniger gespielt werden?
Bauern fuer Initative schwer genug im Fernschach.
Dann ggf. selbst stabile Gleichgewichte unspielbar, da ein 1:3 droht...
Ausserdem: was ist ueberhaupt Materialvorteil?
Springer und Laeufer gleich viel wert?
Wenn nicht, dann auch Turm plus Bauer weniger als Springer plus Laeufer?
Zwei Tuerme tatsaechlich mehr wert als eine Dame (da kein Bauer zusaetzlich)?
Gruss,
Norbert Lukas
Zuletzt geändert von Norbert_Lukas am Fr 25. Okt 2024, 12:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Vorschlag für ein neues Wertungssystem
Auch ich sehe derartige zusätzliche Wertungen sehr kritisch. Hier stimme ich SF Rolle zu. Auf der anderen Seite stirbt das Fernschach langsam am Remistod. Das man daher inzwischen verschiedene Wege sucht, um dem entgegen zu steuern, ist absolut nachvollziehbar. Beim Fussball gibt es eine klare Lösung einen Sieger zu ermitteln: Es gibt die Verlängerung und anschließend eine Entscheidung über das Elfmeter. Beim Schach ist das so nicht möglich. Man könnte eventuell Stichkämpfe mit verkürzter Bedenkzeit und mit Eröffnungsvorgaben durchführen. Wenn es aber komplette Kreuttabellen mit Remis gibt, ist das auch keine Lösung. Hauptproblem nach jahrelanger Fernschacherfahrung ist: Man landet nach der Eröffnung meist in bekannten Stellungen, die schon vielfach in den Datenbanken vorhanden sind. Man spielt diese dann auch so laut Datenbank weiter und landet dann zwangsläufig und erneut im Remishafen. Es ist fast als wenn man jeden Tag Marmeladenbrot ißt. Irgendwann hat man keine Lust mehr auf Marmelade und möchte sich was anderes auf das Brot schmieren. Zumindest hierfür habe ich beim Fernschach eine Lösung gefunden: Ich spiele künftig vorwiegend Chess960!!!
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Re: Vorschlag für ein neues Wertungssystem
Vielen Dank für alle Wortmeldungen, auch wenn ich positive Lösungsvorschläge vermisse.
@ J. Fuchs
Chess960, das ich sehr schätze und praktiziere, bietet - angesichts des Computereinsatzes - leider keinen Ausweg aus dem Remis-Dilemma. Beispiel: Im ICCF-Weltcup-Finale von 2022 endeten alle 56 Partien remis.
https://www.iccf.com/event?id=98009
(Nebenbei bemerkt, besteht das Problem nicht nur darin, dass es tote Rennen gibt, sondern auch darin, dass Figureneinsteller und andere Missgeschicke zu Zufallssiegern führen, wenn nur ein, zwei Partien in einem Turnier entschieden werden.)
@ H. Rolle
Es gibt nur deshalb kaum Partien, die durch Patt entschieden werden, weil die Endspiele, in denen Patt das logische Ergebnis ist, gar nicht ausgespielt, sondern vorher remis gegeben bzw. durch Tablebase-Entscheid beendet werden.
Zur Definition "Pattsieg": Derjenige, der pattsetzt. Es handelt sich um einen von Lasker und Réti in der Remis-Debatte, die Capablanca angestoßen hatte, empfohlenen Rückgriff auf Regelungen des alten Schachs. - Nun hat sich damals, in der Folge der 1920er Jahre, das Gespenst "Remistod" im Nahschach noch leicht vertreiben lassen, doch im heutigen Fernschach schlägt es erbarmungslos zu. Auch im klassischen Schach am Brett (siehe WM-Kämpfe) taucht es immer wieder auf und wird durch Bedenkzeitverkürzungen verscheucht, die aber allmählich überhand nehmen.
Ihre Sorge hinsichtlich Mehrarbeit für Turnierleiter lässt sich durch Software einfach entkräften. Nur im Reklamationsfall müssten Turnierleiter aktiv werden.
@ N. Lukas
Für andere schon ..., denn Regeln und Systeme müssen sich veränderten Zeitbedingungen stellen und sind nicht für die Ewigkeit gemacht. Genau so ist das heutige Schach entstanden. (Übrigens führen nach der 3:1-Wertung alle Endspiele K+B gegen K zu 3:1, wenn die schwächere Seite die Umwandlung verhindern kann. Nicht nur der Randbauer ist betroffen.)
Was die Tablebases betrifft, lassen sich diese hinsichtlich der Wertung anpassen. Andererseits: Es ist doch gar nicht so schlecht, wenn Schachspieler sich Gedanken machen müssen, wie sie die Tablebases im Remisfall anwenden. Für alle gewonnenen oder verlorenen Endspiele gelten die Tablebases unverändert.
Wie sich das neue Wertungssystem auf die Spielführung auswirkt, muss die Praxis zeigen. Ich glaube nicht, dass es hier eine Einbahnstraße namens "Risiskovermeidung" gibt.
Materialwert: Venceslav Rutar schlägt vor, Bauer = 1, Springer/Läufer = 3, Turm = 5, Dame = 9. Auch hier muss die Praxis zeigen, ob sich feinere Unterschiede empfehlen. Er ist dafür offen, bleibt aber zunächst beim Mainstream.
Last, not least - ich schlage das neue Wertungssystem zunächst für Tests als zusätzliche Tiebreak-Regelung vor. Es geht sicherlich nicht darum, sofort das Wertungssystem erster Ordnung umzustellen.
Viele Grüße
Arno Nickel
@ J. Fuchs
Chess960, das ich sehr schätze und praktiziere, bietet - angesichts des Computereinsatzes - leider keinen Ausweg aus dem Remis-Dilemma. Beispiel: Im ICCF-Weltcup-Finale von 2022 endeten alle 56 Partien remis.
https://www.iccf.com/event?id=98009
(Nebenbei bemerkt, besteht das Problem nicht nur darin, dass es tote Rennen gibt, sondern auch darin, dass Figureneinsteller und andere Missgeschicke zu Zufallssiegern führen, wenn nur ein, zwei Partien in einem Turnier entschieden werden.)
@ H. Rolle
Es gibt nur deshalb kaum Partien, die durch Patt entschieden werden, weil die Endspiele, in denen Patt das logische Ergebnis ist, gar nicht ausgespielt, sondern vorher remis gegeben bzw. durch Tablebase-Entscheid beendet werden.
Zur Definition "Pattsieg": Derjenige, der pattsetzt. Es handelt sich um einen von Lasker und Réti in der Remis-Debatte, die Capablanca angestoßen hatte, empfohlenen Rückgriff auf Regelungen des alten Schachs. - Nun hat sich damals, in der Folge der 1920er Jahre, das Gespenst "Remistod" im Nahschach noch leicht vertreiben lassen, doch im heutigen Fernschach schlägt es erbarmungslos zu. Auch im klassischen Schach am Brett (siehe WM-Kämpfe) taucht es immer wieder auf und wird durch Bedenkzeitverkürzungen verscheucht, die aber allmählich überhand nehmen.
Ihre Sorge hinsichtlich Mehrarbeit für Turnierleiter lässt sich durch Software einfach entkräften. Nur im Reklamationsfall müssten Turnierleiter aktiv werden.
@ N. Lukas
Ein Randbauer fuehrt zum Remis lernt man sehr frueh.
Mit der Neuregelung waere dies ein 3:1. Das ist fuer mich kein Schach.
Für andere schon ..., denn Regeln und Systeme müssen sich veränderten Zeitbedingungen stellen und sind nicht für die Ewigkeit gemacht. Genau so ist das heutige Schach entstanden. (Übrigens führen nach der 3:1-Wertung alle Endspiele K+B gegen K zu 3:1, wenn die schwächere Seite die Umwandlung verhindern kann. Nicht nur der Randbauer ist betroffen.)
Was die Tablebases betrifft, lassen sich diese hinsichtlich der Wertung anpassen. Andererseits: Es ist doch gar nicht so schlecht, wenn Schachspieler sich Gedanken machen müssen, wie sie die Tablebases im Remisfall anwenden. Für alle gewonnenen oder verlorenen Endspiele gelten die Tablebases unverändert.
Wie sich das neue Wertungssystem auf die Spielführung auswirkt, muss die Praxis zeigen. Ich glaube nicht, dass es hier eine Einbahnstraße namens "Risiskovermeidung" gibt.
Materialwert: Venceslav Rutar schlägt vor, Bauer = 1, Springer/Läufer = 3, Turm = 5, Dame = 9. Auch hier muss die Praxis zeigen, ob sich feinere Unterschiede empfehlen. Er ist dafür offen, bleibt aber zunächst beim Mainstream.
Last, not least - ich schlage das neue Wertungssystem zunächst für Tests als zusätzliche Tiebreak-Regelung vor. Es geht sicherlich nicht darum, sofort das Wertungssystem erster Ordnung umzustellen.
Viele Grüße
Arno Nickel
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Re: Vorschlag für ein neues Wertungssystem
Ich war einer der Finalisten des 12. Chess 960 World Cup.
Es war richtig, dass wir alle Erste sind und daher dies als Erfolg beim ICCF nachzulesen ist.
Gleichzeitig aber auch klar, dass keiner einen Geldpreis erhaelt (ICCF sparte 1.000 EUR).
Es war bekannt, dass man fuer Auszeichnungen (Geldpreise) mindestens plus 1 machen muss.
Dies haben alle Finalisten nicht geschafft.
Fuer mich als Beteiligten war die Endabrechnng des Finales in Ordnung!
Weitere, neue Feinwertungen haetten statt totem Einlauf wohl weniger Sieger gebracht, aber Geld haette trotzdem keiner erhalten...
Wir waren alle gleich gut (Platz 1) und alle gleich schlecht (alle kein positiver Score).
Gruss, Norbert Lukas
PS: Ja, auch beim Chess060 Remis-Quote stark steigend,
Ausnahme Vorrunden, aber sf oder fin kann man mit 1 bis 3 Siegen im doppelrundigen Turnier ganz weit vorne sein.
Es war richtig, dass wir alle Erste sind und daher dies als Erfolg beim ICCF nachzulesen ist.
Gleichzeitig aber auch klar, dass keiner einen Geldpreis erhaelt (ICCF sparte 1.000 EUR).
Es war bekannt, dass man fuer Auszeichnungen (Geldpreise) mindestens plus 1 machen muss.
Dies haben alle Finalisten nicht geschafft.
Fuer mich als Beteiligten war die Endabrechnng des Finales in Ordnung!
Weitere, neue Feinwertungen haetten statt totem Einlauf wohl weniger Sieger gebracht, aber Geld haette trotzdem keiner erhalten...
Wir waren alle gleich gut (Platz 1) und alle gleich schlecht (alle kein positiver Score).
Gruss, Norbert Lukas
PS: Ja, auch beim Chess060 Remis-Quote stark steigend,
Ausnahme Vorrunden, aber sf oder fin kann man mit 1 bis 3 Siegen im doppelrundigen Turnier ganz weit vorne sein.
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Re: Vorschlag für ein neues Wertungssystem
Zu der Bemerkung von Arno Nickel bzgl. Chess960 möchte ich folgendes feststellen: Turnierergebnisse bei Chess960 zeigen tatsächlich ebenfalls, dass es wie auch beim Normalschach viele Remispartien gibt. Die Fehlerquote bei Beginn der Partie ist aber etwas höher, da die Spieler die Datenbanken nicht mehr als Schablone haben. Spielen aber beide Seiten ohne Fehler, stimme ich den Ausführungen von Arno Nickel absolut zu. Immerhin weht bei Chess960 aber gleich zu Beginn des Spiels ein neuer Wind. Eine Lösung für den Remistod ist Chess960 damit natürlich nicht!
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Re: Vorschlag für ein neues Wertungssystem
@ N. Lukas
Es ist immer interessant, wenn beteiligte Akteure authentisch berichten. Daher mein Dank an dieser Stelle.
Was Geldpreise und Qualifikationen betrifft, ließe ich dies natürloch auch ändern, indem man Feinwertungen aufwertet. Letztlich wäre die Turnierleistung eines Spielers, der zwar z.B. keine Partie gewinnt, aber 3 Remis mit Materialvorteil realisiert, in meinen Augen höher zu bewerten als das +1 Ergebnis eines Spielers, der nur von einem Figureneinsteller eines Gegners profitiert.
Falls Schach als Sport gesehen wird und Verbände wie Veranstalter einem größeren Publikum den sportlichen Reiz vermitteln wollen, dann können sie dies keineswegs mit serienmäig produzierten "toten Rennen". Um einmal die Absurdität des gegenwärtigen Zustandes im Fernschach (jedenfalls überall dort, wo extensiv Engines konsultiert werden) vor Augen zu führen, stelle man sich folgendes Bild vor: Im vollbesetzten Berliner Olympiastadion treten die Läufer zum WM-Finale über 100m an. Es ist tradionell der Höhepunkt der Leichtathletik-WM, und die Spannung ist zum zerreißen. Endlich fällt der Startschuss ... Das Rennen nimmt jedoch einen ungewöhnlichen Verlauf. Alle Läufer überqueren gleichzeitig die Ziellinie und fallen sich danach begeistert in die Arme. Was für ein Rennen! Keiner hat schlapp gemacht. Das Publikum tobt.
(Ein Streich von Monty Python?)
Tatsächlich geht es beim Sport um hunderdstel und tausendstel Sekunden, die von niemandem mehr wahrnehmbar sind, aber über Sieg oder Niederlage entscheiden. Beim Boxen oder Eiskunstlauf entscheiden Wertungsrichter und Jurys über die Leistung. Nicht immer gerecht.
Auf dem Schachbrett kannst du dir alles erlauben, solange du nicht mattgesetzt wirst. Deine Leistung wird immer gleich bewertet wie die deines Gegners ... Und die Engines helfen dir dabei, nicht mattgesetzt zu werden. Du brauchst oft nur noch auf den Knopf zu drücken, und der Rechenknecht ist dir unermüdlich zu Diensten. Vielleicht hast du oder die Engine hier und da einen schwächeren Zug gemacht, aber das geht im Schach. Es bleibt ungeahndet. Wen interessiert es schon, wenn nur das Erebnis stimmt: REMIS!
Wir haben uns jahrzehntelang gegen dieses Zerrbild des Fernschachs gewehrt, sind aber dabei, es mit aller Kraft in die Tat umzusetzen.
Ich war einer der Finalisten des 12. Chess 960 World Cup.
Es war richtig, dass wir alle Erste sind und daher dies als Erfolg beim ICCF nachzulesen ist.
Gleichzeitig aber auch klar, dass keiner einen Geldpreis erhaelt (ICCF sparte 1.000 EUR).
Es war bekannt, dass man fuer Auszeichnungen (Geldpreise) mindestens plus 1 machen muss.
Dies haben alle Finalisten nicht geschafft.
Fuer mich als Beteiligten war die Endabrechnng des Finales in Ordnung!
Weitere, neue Feinwertungen haetten statt totem Einlauf wohl weniger Sieger gebracht, aber Geld haette trotzdem keiner erhalten...
Wir waren alle gleich gut (Platz 1) und alle gleich schlecht (alle kein positiver Score).
Gruss, Norbert Lukas
PS: Ja, auch beim Chess060 Remis-Quote stark steigend,
Ausnahme Vorrunden, aber sf oder fin kann man mit 1 bis 3 Siegen im doppelrundigen Turnier ganz weit vorne sein.
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Es ist immer interessant, wenn beteiligte Akteure authentisch berichten. Daher mein Dank an dieser Stelle.
Was Geldpreise und Qualifikationen betrifft, ließe ich dies natürloch auch ändern, indem man Feinwertungen aufwertet. Letztlich wäre die Turnierleistung eines Spielers, der zwar z.B. keine Partie gewinnt, aber 3 Remis mit Materialvorteil realisiert, in meinen Augen höher zu bewerten als das +1 Ergebnis eines Spielers, der nur von einem Figureneinsteller eines Gegners profitiert.
Falls Schach als Sport gesehen wird und Verbände wie Veranstalter einem größeren Publikum den sportlichen Reiz vermitteln wollen, dann können sie dies keineswegs mit serienmäig produzierten "toten Rennen". Um einmal die Absurdität des gegenwärtigen Zustandes im Fernschach (jedenfalls überall dort, wo extensiv Engines konsultiert werden) vor Augen zu führen, stelle man sich folgendes Bild vor: Im vollbesetzten Berliner Olympiastadion treten die Läufer zum WM-Finale über 100m an. Es ist tradionell der Höhepunkt der Leichtathletik-WM, und die Spannung ist zum zerreißen. Endlich fällt der Startschuss ... Das Rennen nimmt jedoch einen ungewöhnlichen Verlauf. Alle Läufer überqueren gleichzeitig die Ziellinie und fallen sich danach begeistert in die Arme. Was für ein Rennen! Keiner hat schlapp gemacht. Das Publikum tobt.
(Ein Streich von Monty Python?)
Tatsächlich geht es beim Sport um hunderdstel und tausendstel Sekunden, die von niemandem mehr wahrnehmbar sind, aber über Sieg oder Niederlage entscheiden. Beim Boxen oder Eiskunstlauf entscheiden Wertungsrichter und Jurys über die Leistung. Nicht immer gerecht.
Auf dem Schachbrett kannst du dir alles erlauben, solange du nicht mattgesetzt wirst. Deine Leistung wird immer gleich bewertet wie die deines Gegners ... Und die Engines helfen dir dabei, nicht mattgesetzt zu werden. Du brauchst oft nur noch auf den Knopf zu drücken, und der Rechenknecht ist dir unermüdlich zu Diensten. Vielleicht hast du oder die Engine hier und da einen schwächeren Zug gemacht, aber das geht im Schach. Es bleibt ungeahndet. Wen interessiert es schon, wenn nur das Erebnis stimmt: REMIS!
Wir haben uns jahrzehntelang gegen dieses Zerrbild des Fernschachs gewehrt, sind aber dabei, es mit aller Kraft in die Tat umzusetzen.
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Re: Vorschlag für ein neues Wertungssystem
Ich spiele zur Zeit auf dem LSS ein Semifinalturnier der 12. LSS-Weltmeisterschaft, 6 Spieler doppelrundig, 30 Partien gesamt in diesem Turnier. Von diesen 30 Partien sind Stand heute 29 beendet - alle Remis.
Ich habe mir die 29 beendeten Partien heute heruntergeladen und unter dem Aspekt der Änderungsvorschläge für das Fernschach von Arno Nickel analysiert.
25 Partien endeten vor dem 40.Zug durch Einigung bzw. ewiges Schach. 1 Partie endete nach dem 40.Zug bei Materialgleichheit durch Remiseinigung. 2 Partien wären bei Anwendung der neuen Regeln 2 Züge länger gelaufen, dann wäre Materialgleichheit bzw. ewiges Schach erreicht. Alle diese 28 Partien wären also 2:2 geendet.
Eine einzige Partie endete durch Anwendung der Tablebases mit einem Bauern mehr für Schwarz. Meiner Ansicht sollte dies auch mit 2:2 gewertet werden, ein Endspiel K+S gegen K (also ein theoretisches Remis) kann ja auch nicht gut 3:1 für Weiß gewertet werden.
Insgesamt spricht dies nicht dafür, dass die neuen Vorschläge zur Behandlung von Remispartien den Remistod des Fernschachs verhindern können.
Ich habe mir die 29 beendeten Partien heute heruntergeladen und unter dem Aspekt der Änderungsvorschläge für das Fernschach von Arno Nickel analysiert.
25 Partien endeten vor dem 40.Zug durch Einigung bzw. ewiges Schach. 1 Partie endete nach dem 40.Zug bei Materialgleichheit durch Remiseinigung. 2 Partien wären bei Anwendung der neuen Regeln 2 Züge länger gelaufen, dann wäre Materialgleichheit bzw. ewiges Schach erreicht. Alle diese 28 Partien wären also 2:2 geendet.
Eine einzige Partie endete durch Anwendung der Tablebases mit einem Bauern mehr für Schwarz. Meiner Ansicht sollte dies auch mit 2:2 gewertet werden, ein Endspiel K+S gegen K (also ein theoretisches Remis) kann ja auch nicht gut 3:1 für Weiß gewertet werden.
Insgesamt spricht dies nicht dafür, dass die neuen Vorschläge zur Behandlung von Remispartien den Remistod des Fernschachs verhindern können.
Viele Grüße
Hannes Rolle
Hannes Rolle
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Re: Vorschlag für ein neues Wertungssystem
@ H. Rolle
Vielen Dank für die Info. Ihre Folgerungen kann ich allerdings nicht teilen.
1. Ihre Auswertung hat keine Aussagekraft, was den möglichen Einfluss des neuen Wertungssystems (egal, ob fürs Tiebreak oder als Wertung erster Ordnung) auf die Spielführung und Turniertaktik hat; denn die 29 Partien, auf die Sie sich beziehen, wurden ja unter den geltenden Wertungsregeln gespielt.
Die hohe Zahl von 25 Remisvereinbarungen vor dem 40. Zug dürfte nach dem neuen System kaum noch vorkommen.
2. Selbst nach Ihrer Darstellung (ein Tablebase-Remis mit Materialvorteil) käme es bei Anwendung des neuen Systems zu einem erfolgreichen Tiebreak an der Spitze, ob es Ihnen nun gefällt oder nicht.
Ich denke allerdings, dass bei dem neuen System keine Partien mehr nach den vorliegenden Tablebases automatisch beendet werden könnten, wenn es darum geht, ein Remis nachzuweisen (anders ist es bei Matt).
Der "Remistod des Fernschachs" kann zwar vermutlich durch das neue Wertungssystem langfristig nicht "verhindert" werden (das hat auch niemand behauptet), aber es wäre m. E. ein beachtlicher Schritt, die Wettbewerbssituation zu beleben und aus der Stagnation zu befreien. Das Spiel würde einfach wieder mehr Spaß machen und durch die erhöhte Komplexitat (mehr Optionen) inhaltsreicher werden, jenseits der gegenwärtigen absoluten Dominanz der Engines. - In welchem Maße, das müssen praktische Tests zeigen (natürlich ohne Elo-Wertung).
Ich halte es für fruchtbarer, auf der Basis solcher praktischer Erfahrungen zu diskutieren, als nur immer wieder darüber zu streiten, was "richtiges" Schach ist, denn damit kommen wir keinen Schritt weiter.
Ich habe mir die 29 beendeten Partien heute heruntergeladen und unter dem Aspekt der Änderungsvorschläge für das Fernschach von Arno Nickel analysiert.
...
Insgesamt spricht dies nicht dafür, dass die neuen Vorschläge zur Behandlung von Remispartien den Remistod des Fernschachs verhindern können.
Vielen Dank für die Info. Ihre Folgerungen kann ich allerdings nicht teilen.
1. Ihre Auswertung hat keine Aussagekraft, was den möglichen Einfluss des neuen Wertungssystems (egal, ob fürs Tiebreak oder als Wertung erster Ordnung) auf die Spielführung und Turniertaktik hat; denn die 29 Partien, auf die Sie sich beziehen, wurden ja unter den geltenden Wertungsregeln gespielt.
Die hohe Zahl von 25 Remisvereinbarungen vor dem 40. Zug dürfte nach dem neuen System kaum noch vorkommen.
2. Selbst nach Ihrer Darstellung (ein Tablebase-Remis mit Materialvorteil) käme es bei Anwendung des neuen Systems zu einem erfolgreichen Tiebreak an der Spitze, ob es Ihnen nun gefällt oder nicht.
Ich denke allerdings, dass bei dem neuen System keine Partien mehr nach den vorliegenden Tablebases automatisch beendet werden könnten, wenn es darum geht, ein Remis nachzuweisen (anders ist es bei Matt).
Der "Remistod des Fernschachs" kann zwar vermutlich durch das neue Wertungssystem langfristig nicht "verhindert" werden (das hat auch niemand behauptet), aber es wäre m. E. ein beachtlicher Schritt, die Wettbewerbssituation zu beleben und aus der Stagnation zu befreien. Das Spiel würde einfach wieder mehr Spaß machen und durch die erhöhte Komplexitat (mehr Optionen) inhaltsreicher werden, jenseits der gegenwärtigen absoluten Dominanz der Engines. - In welchem Maße, das müssen praktische Tests zeigen (natürlich ohne Elo-Wertung).
Ich halte es für fruchtbarer, auf der Basis solcher praktischer Erfahrungen zu diskutieren, als nur immer wieder darüber zu streiten, was "richtiges" Schach ist, denn damit kommen wir keinen Schritt weiter.
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